Anke Mutmacherin
Beratung/ Coaching/ Seelsorge (nicht nur) für hochsensible Menschen
International Talk about Cancer Day – Internationaler Sprich-über-Krebs-Tag
Ja – heute spreche/schreibe ich über Krebs.
Über dieses Wort, das man nicht hören, diese Diagnose, mit der man nichts zu tun
haben möchte.
Und doch … fast jeder zweite Mensch erkrankt, nach Daten des Robert-Koch-
Institutes (Quelle: www.bmbf.de – „Krebs in Deutschland – Daten und Fakten“), in
seinem Leben an Krebs und bekommt genau dieses Wort zu hören und muss es mit
sich selbst in Verbindung bringen.
Man kennt Menschen, die an Krebs erkrankt sind, die vielleicht daran gestorben
sind und man ist sehr betroffen, denkt vielleicht (auch nur im Unterbewusstsein) …
nein, das ist weit weg, mich trifft das nicht. Ich ernähre mich gesund, trinke wenig
Alkohol, rauche nur selten oder gar nicht, mache Sport etc.
Denn der Onkel, der an Lungenkrebs gestorben ist, hat ja auch jahrelang geraucht.
Der Nachbar mit dem Hautkrebs, hatte in seinem Leben oft Sonnenbrand, weil er
sich auch nie eingecremt hat und ist ja auch nie zum Hautscreening gegangen. Die
Freundin mit dem Magenkrebs hat gern viel Fleisch und fettreich gegessen,
außerdem oft Schmerztabletten genommen. Und sollte langes Stillen des
Nachwuchses, Frauen nicht sogar vor Brustkrebs schützen?
Was passiert also, wenn wir mit dieser Erkrankung
konfrontiert werden?
Trifft die Erkrankung nicht uns selbst, versuchen wir eine Erklärung und eine Ursache dafür zu finden.
Aber was heißt diese Erklärung im Umkehrschluss?
Im Prinzip suchen wir nach Schuld. Und wir suchen und finden die Schuld bei dem Erkrankten selbst. Das ist nicht schön, aber menschlich.
Nur so scheinen wir uns beruhigen und uns selbst sagen zu können, dass wir ja ein anderes (sogar besseres?) Leben führen und so erst mal für
uns selbst keine Gefahr drohen kann. Denn bei dieser Diagnose werden wir umgehend mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert - das
macht ohnmächtig. Und sicherlich spielt der Lebenswandel auch eine Rolle, aber genetische Faktoren und andere, nicht beeinflussbare
Umwelteinflüsse, sind nicht zu vernachlässigen.
Im besten Fall können wir die Diagnose des Anderen zum Anlass nehmen, auf uns Acht zu geben und auch Früherkennungsuntersuchungen
wahrzunehmen.
Denn: ES KANN JEDEN TREFFEN!
Aber ist die Diagnose Krebs auch gleichbedeutend mit einem Todesurteil? NEIN!
„Seit Anfang der 1990er-Jahre ist ein Rückgang der Krebssterblichkeit zu verzeichnen,
der mit zur gestiegenen Lebenserwartung in Deutschland beiträgt.“… Das Überleben hängt vielfach vom Zeitpunkt der Entdeckung einer
Krebserkrankung ab. Je früher Krebs
erkannt und die oder der Betroffene einer qualifizierten Behandlung zugeführt wird, desto größer ist die Aussicht auf einen Heilerfolg.“
(Quelle: www.bmbf.de - „Krebs in Deutschland – Daten und Fakten“)
Da haben wir also ein paar Fakten. Was fangen wir nun mit dem Wissen, dass alles doch nicht so schlimm kommen muss, an? Wie gehen wir
damit um, wenn uns ein Arzt sagt...sie haben Krebs!?
Ganz klar ist … Krebs ist ein Arschloch!
Wir dürfen alle Gefühle haben und zulassen, die uns in diesem Moment der Konfrontation überkommen. Wir dürfen alles benennen,
herauslassen oder auch für uns schweigen oder beten… je nachdem wonach uns gerade ist, was wir in krisenhaften Situationen brauchen, um
irgendwie damit klar zu kommen und (in erster Linie) für uns selbst handlungsfähig zu bleiben oder wieder zu werden. Dann können und
müssen wir schauen, wie es weitergeht.
Was ist jetzt dringend notwendig? Hole ich mir eine zweite Meinung ein? Muss ich allen Therapieformen sofort zustimmen oder habe ich Zeit
mich schlau zu machen?
Wen beziehe ich mit ein?
Wie sage ich es meinen Angehörigen? Was passiert mit mir und meinem bisherigen Leben?
Das ist nun alles sehr theoretisch und Betroffene werden vielleicht denken – „Ja, die hat gut Reden…“, aber …
Ich schreibe auch über meine eigenen persönlichen Erfahrungen.
Auch ich kenne Menschen die an Krebs erkrankt waren und einige von Ihnen sind
leider auch gestorben.
Und auch ich habe 2021 diese Diagnose bekommen und habe eine Idee davon, wie es
Ihnen geht oder gegangen ist, wenn Sie selbst oder Angehörige betroffen sind.
...Meinen Schock hatte ich schon nach der Mammographie und dem Ultraschall. Ich
wollte nur hören - „alles in Ordnung, das sind nur die Zysten“. Aber die Ärztin sagte –
„die Zysten sind gerade nicht das Problem...das muss mit einer Biopsie abgeklärt
werden...Chance Gutartigkeit 50/50…
meist DCIS…“...und...
Plötzlich tut sich der Boden auf. Plötzlich ist alles surreal. Plötzlich ist das Leben so
wertvoll. Plötzlich ist alles anders. Plötzlich stellt sich Angst ein.
Die Biopsie gab dann Aufschluss über die Art dessen, was da nicht hingehörte.
Es war ein sogenanntes DCIS, eine Frühform von Brustkrebs.
Meine Ärztin gab mir die Diagnose an einem Freitag Nachmittag bekannt.
Damit hätte ich am Wochenende also super grübeln können, wenn ich nicht in
manchen Bereichen sehr pragmatisch denken würde und nicht funktionieren würde,
in Situationen, die angegangen werden müssen... denn... Sie sagte, dass dieses
sogenannte „DCIS“ – ein „Ductales Carcinoma in situ“, ein Tumor (kein tastbarer
Knoten) veränderter Zellen ist, der aber „am Ort verbleibt“ = „in situ“, vorerst nicht
ins umliegende Gewebe eindringt und somit auch keine Metastasen bilden kann,
daher ist eine „Chemo“ nicht notwendig. Es bedarf aber einer Therapie – Operation
(im schlimmsten Fall komplette Amputation, da man bei dieser Form nicht sagen
kann, ob bei einer Operation alle Bestandteile ausreichend entfernt werden
können), Bestrahlung, danach Hormontherapie, da der Tumor
Hormonrezeptorpositiv sei.
Sie sprach von einer „Tragödie“!
Ich, von einem Glücksfall!
Das Schlimmste für mich aber war, es meiner Familie beizubringen. Das konnte ich tatsächlich nur schriftlich über Whatsapp in der
Familiengruppe. Ich wollte kein Mitleid und ich wollte niemanden trösten. Ich fand es ja auch nicht sooo schlimm – mein Selbstschutz
funktionierte.
Meiner Tochter habe ich es selbst gesagt und sie hat super reagiert, denn sie hörte auch eher das Positive und spiegelte es mir, was mir Mut
machte. Meinem Sohn hat es mein Mann gesagt. Nur konnte mein Mann dieses Wort – Krebs - nicht aussprechen. Somit hatte mein Sohn
längere Zeit, eigentlich bis nach der OP, keine wirkliche Ahnung, was glaube ich ganz gut war und ihn natürlich hoffnungsvoll stimmte (dass
ich die OP gut überstanden hatte).
Ja – ich sah das Ganze als Glücksfall. Nein – nicht den Krebs an sich.
Aber es hätte für mich viel, viel schlimmer kommen können!
Das Wissen, keine Chemotherapie zu brauchen, da keine Metastasen gebildet werden, war sehr erleichternd. Hieß es doch somit auch, dass
ich so schnell nicht, zumindest nicht an Brustkrebs, sterben werde.
Ein weiterer Glücksfall war für mich schon die OP.
Ich musste nur einmal operiert werden, da gleich bei der 1. OP alles mit genügend Sicherheitsabstand entfernt werden konnte.
Die Bestrahlungen habe ich gut vertragen, außer dass ich sehr müde war. Die folgende Hormontherapie, in welcher ich mich vermutlich noch
die nächsten 3 Jahre befinden werde, ist auch auszuhalten und hat auch positive Nebenwirkungen… z.B. keine Endometrioseschmerzen
mehr und mein Haar wird wieder lockig.
Ganz klar ist auch … man braucht das nicht! …
Aber was hat die Erkrankung noch mit mir gemacht?
Ich habe über mein Leben nachgedacht. Das sagen die meisten Menschen, die eine Krebserkrankung haben. Vielleicht kommen diese
Gedanken über das Leben, die Art, die man für sich gewählt hat, die Zwänge in denen man sich befindet, über die eingefahrenen und
eventuell unreflektierten Sicht - und Handlungsweisen erst später, nach der Therapie. Aber sie kommen!
Fragen wie…
Was ist mir wichtig? Was ist schön? Worüber freue ich mich?
Was gibt mir Kraft? Was tue ich für mich?
Lohnt sich mein Ärgern in bestimmten Situationen? Kann ich gelassener werden und wie?
Muss ich alles aushalten und hinnehmen?
Wo liegen meine Prioritäten?
Und diese Fragen stellen sich dann meist in allen Lebensbereichen.
Es wäre auch übertrieben, wenn ich sagen würde, dass ich nach der Erkrankung mein Leben umgekrempelt habe.
Natürlich gibt es Menschen, die dann quasi „Tabula rasa“ gemacht haben und kein Stein – Lebensbaustein – stand mehr am angestammten
Platz. Diese Menschen sagen auch meist, sie hätten diesen „Schuss vor den Bug“ gebraucht und eigentlich fühlten sie sich schon länger nicht
mehr wohl in ihrem Lebensmodell (ob beruflich oder privat).
Eine meiner besten Freundinnen und ihr Mann haben sich nach der Erkrankung getrennt. Sie fühlte sich in der Zeit der Therapie oft allein
und es fehlte ihr die Unterstützung. Nun hatte sie die Stärke, ohne diese Beziehung weiterzuleben.
Beruflich ist sie nach der Erkrankung durchgestartet und hat für sich die „sinnvollste Arbeit“ gefunden. Sie meinte, dass im Nachhinein
betrachtet, ihr die Erkrankung mehr gebracht, als genommen hat. Vieles sieht sie nun anders, klarer, kompromissloser und sie kann das, was
sie hat - tolle Kinder, eine befriedigende Arbeit, Gesundheit und so viele Möglichkeiten – besser schätzen und das Positive wahrnehmen. Sie
hat ein anderes, neues, vielleicht sogar besseres Lebensgefühl.
Diese Sichtweise kann ich für mich auch
bestätigen.
Mir sind viele (und teilweise andere) Dinge wertvoller und bewusster
geworden.
Auch wenn ich als hochsensible Person auch mal Schwierigkeiten habe,
mich abzugrenzen und auf das zu fokussieren, was mir im jeweiligen
Moment gut tut und wichtig ist. Aber ich sehe klarer, was ich brauche und
ich kann das auch kommunizieren – meistens zumindest. Ich habe z.B. ganz
klare Vorstellungen vom gegenseitigen Miteinander, vom Umgang mit
meiner Familie, anderen Menschen und Respekt ihnen gegenüber. Ich bin
aber gleichzeitig auch milder geworden, wenn diese/meine Vorstellungen
nicht immer erfüllt werden können. Allerdings bin ich auch nicht mehr so
belastbar. Ich gerate schneller an meine Grenzen, was mich oft ärgert, aber
was ich mittlerweile besser akzeptieren kann, auch wenn es schwer fällt.
Mein großer Halt ist mein Mann, der mich erdet, beflügelt und auffängt.
Das ist für ihn auch nicht immer einfach. (Wie Angehörige von betroffenen
Menschen mit einer schweren Diagnose umgehen können – denn auch für
sie ist das lebensverändernd und oft werden sie nicht nach ihrem Befinden
gefragt – thematisiere ich genauer in einem meiner nächsten Artikel.)
Das Leben geht weiter, so heißt es.
Die Welt dreht sich weiter, die Sonne geht jeden Tag auf und auch wieder unter. Alles ist im Fluss…
Das ist das, worauf wir uns verlassen können, das, was immer konstant ist.
Für uns bleibt im Moment der Diagnose und der ersten Verarbeitungsversuche die Welt aber meist stehen und es ist merkwürdig, dass die
Sonne trotzdem scheint und alles andere weiterläuft. Aber nach einiger Zeit bemerken wir, wie gut es ist, dass sich alles weiterdreht und sich
nicht alles komplett geändert hat. Und wenn wir an uns selbst (oder an das was uns gut tut) glauben und uns Hoffnung bewahren, können wir
das irgendwann wieder genießen und Glücksmomente finden, in denen die Erkrankung vielleicht noch da ist, aber auch mal in den
Hintergrund tritt.
Sind oder waren Sie an Krebs erkrankt? Wie ging und geht es Ihnen damit?
Schreiben Sie mir gern!
Herzlichst ... Anke Römer